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Kapitulieren

Last updated on 21. Januar 2021

Erinnerungen vom Oktober 2017:

– Und da sitzt du dann… Gedanken schießen dir durch den Kopf – zusammenhangslos. Kein Fokus. Und der einzig klare Gedanke ist „So, das war’s dann wohl. So fühlt es sich also an, wenn man weiß, man hat verloren.“

Immer wieder hab ich gesagt, in einem Leben geht es nie ausschließlich um Zeit – es sind die Momente. Jona hatte diese Momente. Und ganz viele davon noch in diesen vergangenen eineinhalb Jahren – die ein zusätzliches Geschenk der Zeit waren. Für uns. Für Jona. Ein Geschenk, das wir nie als selbstverständlich angesehen haben. Was jetzt? – Sterben. Ein Leben bei dem, der sich ihn ausgedacht hat. Bei dem, der diesen wunderbaren Engel zu uns geschickt hat.

Jona selbst meint „Ich weiß, ich werd bei Gott im Himmel sein. Aber ich werd euch vermissen.“ Wer kann mir sagen, dass es nicht so ist? – Doch eins bin ich mir so sicher… Es wird nicht mehr weh tun. Kein Schmerz mehr. Kein Abschied mehr. Ihn aber hier zu verabschieden mit jedem Tag, den er noch bei uns ist – das ist schwer, verdammt schwer. Und es tut weh, einfach nur weh.

Und man könnte meinen, es gibt jetzt noch so viel zu reden… Aber dann sitzen wir da, nebeneinander – jeder irgendwie in seinen eigenen Gedanken. Und immer wieder erzählt er mir davon, was er denkt, wie es im Himmel sein wird. Und mein Herz bricht immer mehr – Stück für Stück. Ich weiß, er ist sicher – „safe“. Aber das Loslassen – das ist so schwer.

Und ich frag mich „Wie kann man so leben? – So zwischen zwei Welten…“ Wenn die Dinge hier nicht mehr so wichtig sind – und dann irgendwie aber doch. Wieviel Sinn macht es, sich um Jonas Körper zu sorgen, wenn man weiß, er braucht ihn doch sowieso bald nicht mehr? Ist es jetzt wichtiger, das Herz und die Gefühle im Blick zu haben? Jetzt, da man weiß, die Zeit läuft ab? Jeder ist anders. Doch was Jona anbelangt… Mehr denn je ist es ihm wichtig Dinge zu tun, die sinnvoll sind – nützlich. Er malt Bilder, baut Lego und packt an, wann und wo er kann.

Und er sagt dann so ganz nebenbei, so als wär es das Normalste auf der Welt „… wenn Gott mich halt mehr braucht, dann muss ich eben sterben.“

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Julia ist Jahrgang 1981. Sie ist eigentlich Übersetzerin – singt aber am liebsten… und besser als sie übersetzt. 2011 wurde bei ihrem ältesten Sohn Jona ein Hirntumor, genauer bezeichnet als Medulloblastom, festgestellt. Seit seinem ersten Rückfall schreibt sie ihre Gedanken in Form eines Blogs nieder. Sie singt auf Hochzeiten und überall sonst, wo man Lieder braucht. Doch am liebsten nimmt sie Menschen durch ihre eigenen Lieder mit – mit in ihre eigene Welt. Sie bäckt so ungern Kuchen, dass, wenn sie’s doch einfach mal tut, der Rest der Familie fragt, wer denn Geburtstag hat. Sie wünscht sich, sie könnte besser schwimmen, ist aber doch nicht ehrgeizig genug, weil sie sich eigentlich mit Boden unter den Füßen am wohlsten fühlt. Und es geht ihr wie so vielen Müttern auf dieser Welt: Sie ist einfach gern allein – und ist sie’s dann tatsächlich, fühlt sie sich doch, als würde ihr ein Bein fehlen. Mit ihrem Mann, Jonas drei Brüdern und dessen Hund Mia lebt sie in Ravensburg.