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Weihnachten – mit Maske

Last updated on 21. Januar 2021

Hier – so quasi zum neuen Jahr, nun meine Gedanken von Weihnachten…

Ich sitze im Weihnachtsgottesdienst. Corona hat das Singen der Gemeinde nun unmöglich gemacht – drum hört man einer Gruppe von Kindern zu. Das Lied bewegt mich, und plötzlich merke ich, dass ich unter meiner Maske ja mitsinge… „Oh weh! Ich darf doch gar nicht!“ Aber das ist oft so eine Art Reflex. Da kann ich gar nichts für.

Und dann – dann ringe ich mit den Tränen. Jona hat vor beinahe zehn Jahren (meine Güte – zehn Jahre ist das bald her!) auch immer wieder unter einer Maske gesungen. Aber das war eine Maske, gegen die ist die, die ich gerade trage, absolut gar nichts! Ein steifes Ding, das ihm zum Fixieren übers Gesicht gelegt wurde, bevor er bestrahlt wurde. Während des Bestrahlungsvorgangs war das oberste Gebot: Still liegen! Bloß nicht bewegen! Wenn die Strahlen am falschen Punkt des Körpers ankommen, hat das echte Konsequenzen. Gesundes Gewebe bekommt schädliche Strahlung ab, die den Körper belastet.; das Ziel ist ja, dass Gewebe getroffen wird, das da nicht sein soll. Der Körper kommt nur mit einer gewissen Einmal-Dosis an Strahlung zurecht… und die ja nicht an Stellen vergeudet werden soll, wo sie nicht gebraucht wird.

Aber um die Bestrahlung so angenehm wie möglich zu machen – immerhin waren das damals ja doch dreißig Sitzungen – wurde ihm immer eine CD eingelegt. Er hatte zu dieser Zeit eine absolute Lieblings-CD. So kam es immer wieder mal vor, dass am Ende der Bestrahlung jemand vom Team meinte „Hast du wieder mitgesungen? Wir haben’s gesehen…“ – „Ja…“ meinte Jona oft gut gelaunt. – „… und ich hatte sogar auch einen Kaugummi drin…“ gestand er mir manchmal nachher noch kleinlaut.

Und so kommt es, dass ich, während ich in diesem Gottesdienst sitze, ganz klein werde. Ich denke nicht mehr an das Lied, das ich nachher vor einer noch unbekannten Gemeinde singen und spielen soll… Ich denke an Jona. Ich denke an unser letztes Weihnachten auf Teneriffa, an sein letztes Weihnachtsgeschenk – die Schneekugel. An seine Bestrahlungsmasken – und an seine Alltagsmasken, die heute viele für sich ablehnen, die ihm aber erlaubt haben überhaupt noch am Leben draußen teilzuhaben. Ich denke daran, wie er es geliebt hat zu singen und daran, wie er Jesus und den Himmel gefeiert hat – und wie somit jeder Tag für ihn Weihnachten war. Er hat nicht kitschig gefeiert. Keine Floskeln. Keine Show.

Nur Hoffnung. Nichts als Hoffnung – und Hoffnung allein.

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Julia ist Jahrgang 1981. Sie ist eigentlich Übersetzerin – singt aber am liebsten… und besser als sie übersetzt. 2011 wurde bei ihrem ältesten Sohn Jona ein Hirntumor, genauer bezeichnet als Medulloblastom, festgestellt. Seit seinem ersten Rückfall schreibt sie ihre Gedanken in Form eines Blogs nieder. Sie singt auf Hochzeiten und überall sonst, wo man Lieder braucht. Doch am liebsten nimmt sie Menschen durch ihre eigenen Lieder mit – mit in ihre eigene Welt. Sie bäckt so ungern Kuchen, dass, wenn sie’s doch einfach mal tut, der Rest der Familie fragt, wer denn Geburtstag hat. Sie wünscht sich, sie könnte besser schwimmen, ist aber doch nicht ehrgeizig genug, weil sie sich eigentlich mit Boden unter den Füßen am wohlsten fühlt. Und es geht ihr wie so vielen Müttern auf dieser Welt: Sie ist einfach gern allein – und ist sie’s dann tatsächlich, fühlt sie sich doch, als würde ihr ein Bein fehlen. Mit ihrem Mann, Jonas drei Brüdern und dessen Hund Mia lebt sie in Ravensburg.