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Du bist „safe“.

Last updated on 6. Juni 2021

Du bist „safe.“ – Trotzdem dieser Satz wohl eher aus einem dieser Let‘sPlays auf YouTube hätte stammen können, als von einer Todesanzeige, war diese Aussage das Selbstverständlichste, was wir Jona damals noch mitgeben konnten. Denn genau das war es, was wir damals gefühlt haben. Jona, der vor nichts hier wirklich sicher gewesen war, von so wenig nur verschont geblieben ist, hat unglaublich gern Minecraft gespielt: „Modus: Kreativ. Schwierigkeitsgrad: Friedlich. Immer Tag“. Er wollte es „safe“. Und uns war klar: Jetzt, jetzt ist er „safe“.

Den Text der Todesanzeige hatte ich mir schon Monate zuvor zurechtgelegt. Das war mir unglaublich wichtig, dass da nicht mal schnell irgendein Text von der Stange genommen wird. Wir wollten es persönlich. Schmerz und Hoffnung, Sehnsucht und Dankbarkeit sollten in diesen paar wenigen Zeilen klar zu spüren sein. Zeilen, die wahrscheinlich von so vielen Menschen gelesen werden würden, wie sonst kaum etwas anderes von oder über Jona.

„Du bist safe.“ Doch wir, wir sind hier – immer noch. In dieser Welt, die für mein Gefühl von Minute zu Minute unsicherer, unberechenbarer wird. Wir leben in einer Zeit der echten Unsicherheit. Noch nie zuvor war es so einfach gewesen, sich Wissen anzueignen, sich über jedes x-beliebige Detail zu informieren. Und noch nie zuvor war es so schwer gewesen, zu filtern – Wahrheit von Lüge zu unterscheiden, Interessen eindeutig zu erkennen und benennen zu können.

Sicher – „safe“? Ist es wirklich möglich, durch das vermeintliche unter Kontrolle bringen von Situationen wirklich sicher zu sein? Ist es möglich allein durch Vorsicht und Kontrolle für echte Sicherheit zu sorgen? Oder gibt es Situationen, in denen man einfach beschließen darf: Ich trau einer Statistik, die besagt, dass… Ich hoffe, dass… Ich will vertrauen, dass… – Denn was ist schon Sicherheit?

Ich würde sagen, Sicherheit ist, wenn das Herz fest ist. Wenn man kämpfen kann, ohne die Kontrolle zu verlieren und ohne zu verurteilen oder sich zu überheben. Wenn man vorsichtig sein kann, ohne hysterisch zu werden. Wenn man zweifeln darf, weil man dieses tiefe Vertrauen hat, dass nicht alles allein nur von einem selbst abhängt. Wenn man etwas anpackt, ohne komplett die Fassung zu verlieren, falls es doch nicht gelingt.

Ich glaube fest, dass Jona jetzt in Sicherheit ist. Bin ich froh für ihn, dass er jetzt „safe“ ist? – Diese Frage beschäftigt mich viel, gerade dieses letzte Jahr. Irgendwie glaube ich, ja – schon… Natürlich. Aber es ist schwer auch das anzuerkennen. Anzuerkennen, dass er jetzt woanders sicherer ist, als er es bei uns gewesen wäre.

Könnte ich ihn zurückholen zu mir in all diese Unsicherheit, würde ich es tun? – Ich glaube, ich würde es tun!

Wäre das vernünftig? – Wahrscheinlich nicht!

Ist es aber das, was eine Mutter möchte – nicht nur die Uhr zurückdrehen, sondern einfach ihr Kind bei sich haben? – Ich würde sagen, ja, das ist es!

Natürlich hat das Kinderhaben auch viel Rationales an sich. Es geht ums Großziehen, Versorgen, Sicherheit, anständige Menschen hervorbringen, Wesen mit Bildung ausstatten… Aber all das sind ja nicht in erster Linie die Beweggründe. Denn als Eltern ist man angetrieben von der Liebe. Von der Liebe, die daher kommt, dass man einfach füreinander bestimmt ist. Die Eltern für das Kind. Das Kind für die Eltern. Man ist einfach bestimmt. Bestimmt, einander zu haben und füreinander da zu sein.

Und sicher – was ist schon sicher? Mir, den Kindern? Wer liebt, ist nicht immer „safe“, ist nicht unbedingt sicher. Wer liebt. Komme was wolle. Ob Leben, ob Tod. Ob knallhartes Versagen, oder ob grandioser Erfolg. Ob man miteinander klarkommt, oder ob man sich auch nicht immer grün ist. Ob im Leben hier, ob im Leben dort.

Aber – wer liebt, ist definitiv auf der sicheren Seite.

2 Kommentare

  1. Nadine Nadine

    Danke, dass du deine Gedanken teilst 🤍

    • Julia Boskovic Julia Boskovic

      <3

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Julia ist Jahrgang 1981. Vor Jahren hat sie mal das Übersetzerhandwerk gelernt, heute schreibt sie Lieder und arbeitet als Sängerin und Stimmtrainerin. 2011 wurde bei ihrem ältesten Sohn Jona ein Hirntumor, genauer bezeichnet als Medulloblastom, festgestellt. Seit seinem ersten Rückfall schreibt sie ihre Gedanken in Form eines Blogs nieder. Zimmerpflanzen mag sie eigentlich gern, hat ihren Kopf aber lieber in Liedern und ihre Finger am Klavier, sodass diese in ihrem Haus meistens kein allzu langes Leben haben. Kuchen bäckt sie so ungern, dass, wenn sie’s doch mal tut, der Rest der Familie fragt, wer denn Geburtstag hat. Sie wünscht sich, sie könnte besser schwimmen, ist aber doch nicht ehrgeizig genug, weil sie sich eigentlich mit Boden unter den Füßen am wohlsten fühlt. Und es geht ihr wie so vielen Müttern auf dieser Welt: Sie ist einfach gern allein – und ist sie’s dann tatsächlich, fühlt sie sich doch, als würde ihr ein Bein fehlen. Mit ihrem Mann, Jonas drei Brüdern und dessen Hund Mia lebt sie in Ravensburg.