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Eine gute Zeit für…

Last updated on 1. März 2021

Gestern hat mir jemand von einer Person erzählt, die meinte, sie hätte ihn und mich gegoogelt. Ach du Schreck! Nicht, dass ich mit irgendetwas davon nicht in Verbindung gebracht werden möchte oder ein Problem damit hätte, wenn jemand in Neuseeland oder sonst wo all dieses Ergoogelbare von mir weiß. Nur, ich hab mich neulich selbst gegoogelt und dann zu meinem Mann gesagt „Was die Leute wohl denken müssen über mich! Die denken bestimmt, das bin nicht alles ich… und dabei bin ich in noch mehr Zeug verwickelt!“.

Eins von dem „Zeug“, eine kleine aber sichere Einkommensquelle, habe ich beschlossen abzugeben. „Wenn ich jetzt nicht den Absprung schaffe, dann hab ich mit sechzig immer noch zwei Mini-Jobs und sieben Sachen, von denen ich nicht genau weiß, ob ich sie überhaupt machen soll… Ich hab die Möglichkeit nochmal einen Gang runterzufahren, mich neu zu sortieren und mich auf das zu konzentrieren, wohin ich will; darum werde ich das tun“, war meine Begründung.

„Keine gute Zeit, um was Neues anzufangen…“ hat man mir gesagt. „Ich weiß…“ hab ich gesagt und mir gedacht „Ganz neu ist das alles ja nicht; ich will nur mehr Raum dafür. Und überhaupt – wann ist das denn: Eine gute Zeit für etwas?“ Und ich hab mich ernsthaft gefragt, wann in meinem Leben überhaupt schon mal wirklich eine gute Zeit für irgendwas gewesen war… Ganz ernsthaft – eigentlich noch nie!

Selbst als ich 2001 voller Vorfreude auf eine Auslandszeit in der Türkei am 10. September dort gelandet war, war schon am nächsten Tag die Welt eine andere. 2003, gerade wieder für längere Zeit in den USA angekommen, schien der Irak-Krieg die Welt zu spalten. Meine Familie hätte mich am liebsten gleich wieder nach Hause geholt. Als Jona zu uns kam, war ich jung und doch noch sehr mit mir selbst beschäftigt – und trotzdem kam er für mein Leben keinen Moment zu früh.  Aber, war all das immer zu einer guten Zeit? (Beim Nachrichtendienst mit der grünen Sprechblase würde ich jetzt so ein Emoji einfügen, bei dem eine Frau die Schultern hochzieht und die Handflächen nach oben zeigen.)

Im Kopf ein oft chaotischer Mensch, versuche ich mich durchs Schreiben zu sortieren. Gedanken, die ein verworrenes Knäul sind, durch Schreiben in einen logischen Zusammenhang zu bringen – das hilft mir meistens sehr.

Und so sitze ich hier. Meine Pläne und Ideen zwingen mich, den Inhalt meines Gehirns und meines Herzens auf einem Zettel zu entwirren. Ich beantworte mir die Frage „Wer bin ich?“ und lese, dass meine Hand schreibt „Mama mittleren Alters, will keine Babys mehr, freue mich auf Freiheit und Neues, habe Angst, dass wieder etwas meine Pläne durchkreuzt, bewege mich zwischen Abenteuerlust (es gibt so viel noch zu entdecken und noch so viel zu tun) und gewissem Phlegma (Macht das alles Sinn? So viele Menschen leben nur fürs Überleben. Habe ich ein Recht auf Träume?)“.

Ich kann mir gut vorstellen, dass hier der ein oder andere mitliest, dem es ähnlich geht… Hab ich eine Garantie dafür, dass der Weg gut wird, den ich gehe – dass alles funktioniert? Weiß ich, dass nicht irgendetwas Unvorhergesehenes meine Pläne durchkreuzen wird, und die Karten wieder neu gemischt werden müssen? – Was weiß ich schon…

Und trotz allem Aber und allen Bedenken – Eine gute Zeit ist jetzt!

Eine gute Zeit ist, was gerade passiert – und was ich daraus mache und daraus mitnehme.

2 Kommentare

  1. “Glücklich sind die, die Träume haben und bereit sind, den Preis zu zahlen, damit sie wahr werden” (Leo-Jozef Suenens).

    Fühle dich reich und glücklich mit deinen Träumen, es ist so wertvoll. Und noch viel schöner ist, dass du deinem Herzen folgst und deine Träume lebst. Ich habe hier in Indo das Gefühl, dass viele Menschen keine Träume haben. Das tut mir so weh. Man sagt mir immer sie wären zufrieden. Zufrieden nur auf einer Matratze zu schlafen, zufrieden mit zwei paar Schuhen wovon eins flip flops sind, zufrieden mit einem Job als Maid, zufrieden ohne den ganzen Krimskrams den wir besitzen. Ich glaube auch, dass sie zufrieden sind, aber ich glaube ebenso, dass sie aufgehört haben zu träumen. Ich glaube es ist nicht selbstverständlich Träume zu haben. Wir haben sie und es ist soo schön. Du machst alle richtig liebe Julia 😘. Ich bewundere Dich und ich liebe Deine Texte.

    • Julia Boskovic Julia Boskovic

      Der Einblick in eure Welt bewegt mich sehr. Was du schreibst, und all das, was ihr so auf eurem Blog erzählt – ich finde es schön von euch zu lesen… und ebenso bringt es mich wirklich ins Nachdenken. Ich glaube auch, Träume sind auf unserer Welt leider für so viele ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Aber eine Seele ohne Träume – der fehlt was… Ich schick dir liebste Grüße nach Indonesien <3

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Julia ist Jahrgang 1981. Sie ist eigentlich Übersetzerin – singt aber am liebsten… und besser als sie übersetzt. 2011 wurde bei ihrem ältesten Sohn Jona ein Hirntumor, genauer bezeichnet als Medulloblastom, festgestellt. Seit seinem ersten Rückfall schreibt sie ihre Gedanken in Form eines Blogs nieder. Sie singt auf Hochzeiten und überall sonst, wo man Lieder braucht. Doch am liebsten nimmt sie Menschen durch ihre eigenen Lieder mit – mit in ihre eigene Welt. Sie bäckt so ungern Kuchen, dass, wenn sie’s doch einfach mal tut, der Rest der Familie fragt, wer denn Geburtstag hat. Sie wünscht sich, sie könnte besser schwimmen, ist aber doch nicht ehrgeizig genug, weil sie sich eigentlich mit Boden unter den Füßen am wohlsten fühlt. Und es geht ihr wie so vielen Müttern auf dieser Welt: Sie ist einfach gern allein – und ist sie’s dann tatsächlich, fühlt sie sich doch, als würde ihr ein Bein fehlen. Mit ihrem Mann, Jonas drei Brüdern und dessen Hund Mia lebt sie in Ravensburg.