Last updated on 21. Januar 2021
Meine Nichte sitzt am Tisch neben meinem Mann. „Gehst du oft zu Jonas Grab?“ fragt sie ihn. „… und denkst du Opa wird jetzt auch oft zu Omas Grab gehen?“
Meine Nichte ist neun. Hier geht es um mehr als nur um die Frage, ob einer die Blumen gießt…
Sie denkt nach… denkt nach, ob sie jemanden, der ihr so wichtig war wie die Oma, auch nach Jahren noch vermissen wird, oder ob man jemanden irgendwann mal vergisst. Ob man einen verstorbenen Menschen auch Jahre nach seinem Tod immer noch ins Leben mit einbeziehen wird. Wie kann es ihr gelingen, die Liebe zu ihrer Oma zu leben, wo sie die nicht mehr in den Arm nehmen kann?
Immer wieder tröstet mich diese unbedarfte Art mit der jüngere Kinder einfach frei raus fröhlich oder traurig sind. Wie sie Dinge in den Mund nehmen, die andere verzweifelt umschreiben. Und wie sie dann doch über Gefühle sprechen können, ohne das Gefühl selbst beim Namen zu nennen.
Kleinere Kinder denken nicht dreimal nach, bevor sie ihre Gefühle äußern. Und so macht es mir Mut zu sehen, wie Traurigkeit eine Selbstverständlichkeit für sie ist – genau wie die Freude. Wie sie nicht darüber nachdenken, wann es Opa etwa „wieder besser gehen“ wird, wann er seine „Trauer bewältigt“ haben wird. Sie denken nicht darüber nach, wie lange es dauern mag, bis sie selbst gelernt haben werden, damit zu leben, dass die Oma nicht mehr da ist.
Für jüngere Kinder existiert meistens nur der Moment. Und wenn sie traurig sind, dann bekommt die Trauer ihren Raum. Denn die Trauer ist keine Krankheit, sondern sie ist ein Teil des Lebens – genau wie die Freude auch.
Und mehr denn je bin ich wirklich davon überzeugt, dass wir genau da von Kindern lernen können. Denn – wer den Tod auf gesunde Weise thematisiert, auf den lauert er nicht in irgendeiner Ecke des Lebens.
Wer dem Tod und der Traurigkeit einen Platz zuweist, der schafft mehr Raum fürs Leben.