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„Nur eins… ?“ – oder von ähnlichem Reisegepäck

Last updated on 22. Februar 2021

„Und – wann ist es bei euch nochmal soweit?“ – Mittlerweile fragen die Leute das nicht mehr. Eher stellen sie mit einer wertenden Note fest „Ah okay – Ihr habt nur eins…“

Und dann kam es auch vor, dass man gut gemeint versucht hat, sie wieder in die Spur zu bringen „Jetzt freu dich halt für sie mit!“ und dabei übersehen hat, dass sie einfach noch nicht so weit war.

Weh tut es trotzdem immer wieder mal. Wenn andere ihr erzählen, wie froh sie gerade während der Lockdowns sind, dass sie „zum Glück nicht nur ein Kind“ haben, sondern mehrere, die einander haben…

Bianca und mich verbindet vor allem eines – eine wirklich lange und innige Freundschaft. Um es mit Clueso zu sagen „Vieles war so schwer, manches so leicht. Irgendwie warst du immer dabei.“ Sonst sind unsere Leben ziemlich verschieden – schon immer gewesen. Nur der Musikgeschmack ist der Gleiche – schon immer gewesen.

Ich hab früh Kinder bekommen. Fast schon zu früh. Sie hat im „richtigen Alter“ angefangen. Sie freut sich, wenn sie keine U-Bahn nehmen muss. Hing letzten Endes aber für Jahre in der Großstadt fest. Meiner einer hatte immer gerne Trubel, Action und Gewusel. Doch verschlagen hat es mich in die tiefste oberschwäbische Provinz. Sie hat ein Kind. Ich hab vier.

Doch immer wieder hören wir uns gegenseitig zu. Machen mancher Wut Luft. Unserer Enttäuschung. Erzählen uns gegenseitig von unserer Traurigkeit. Wir vergleichen sie nicht – unsere Situationen. Denn vergleichen kann man sie nicht. Sie sind grundverschieden. Wie unsere Leben grundverschieden sind. Und doch empfinden wir ähnlich.  Wir wissen, dass jeder von uns beiden weiß, wie es sich anfühlt, traurig und in gewisser Weise desillusioniert zu sein.

Und dann ist es so, dass wir beide das Gleiche wollen. Wir wollen nicht auf unseren Gefühlen sitzen, um dann letzten Endes mit ihnen stehen zu bleiben. Wir wollen nicht glattbügeln, wer wir sind. Und wir wollen auch nicht schönreden, was uns zu der Person gemacht hat, die wir heute sind. Wir wollen es nicht schönreden – aber auch nicht als Entschuldigung missbrauchen, als Entschuldigung für schlechte Charakterzüge, für schädliches Verhalten.

Wir wollen weitergehen – unsere Geschichten im Gepäck. Je nachdem, wie der Weg verläuft. Je nachdem, was einem auf dem Weg begegnet… Je nachdem fühlt es sich leichter oder schwerer an – dieses „Reisegepäck des Lebens“.

Und weil uns eine Freundschaft verbindet, und weil das „Reisegepäck“ mit ähnlichen Gefühlen und Gedanken gefüllt ist, und weil Offenheit auch anderen Mut macht zu ihren Gefühlen zu stehen (und bestenfalls darüber zu sprechen), freue ich mich hier unter Von Mama zu Mama am Sonntag einen Gastbeitrag zum Thema Fehlgeburt / Schwangerschaftsabgang mit euch teilen zu dürfen.

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Julia ist Jahrgang 1981. Sie ist eigentlich Übersetzerin – singt aber am liebsten… und besser als sie übersetzt. 2011 wurde bei ihrem ältesten Sohn Jona ein Hirntumor, genauer bezeichnet als Medulloblastom, festgestellt. Seit seinem ersten Rückfall schreibt sie ihre Gedanken in Form eines Blogs nieder. Sie singt auf Hochzeiten und überall sonst, wo man Lieder braucht. Doch am liebsten nimmt sie Menschen durch ihre eigenen Lieder mit – mit in ihre eigene Welt. Sie bäckt so ungern Kuchen, dass, wenn sie’s doch einfach mal tut, der Rest der Familie fragt, wer denn Geburtstag hat. Sie wünscht sich, sie könnte besser schwimmen, ist aber doch nicht ehrgeizig genug, weil sie sich eigentlich mit Boden unter den Füßen am wohlsten fühlt. Und es geht ihr wie so vielen Müttern auf dieser Welt: Sie ist einfach gern allein – und ist sie’s dann tatsächlich, fühlt sie sich doch, als würde ihr ein Bein fehlen. Mit ihrem Mann, Jonas drei Brüdern und dessen Hund Mia lebt sie in Ravensburg.